Datenschutz: Auch Du hast was zu verbergen

Die Daten, die ich rief NucunDem Schutz unsere Daten begegnen wir zunehmend mit einer Laissez-faire-Einstellung.

Einige meinen, dass sie nichts zu verbergen haben, andere möchten die kostenlose App, die den Alltag so angenehm erleichtert, nicht mehr missen. Das bisschen Werbung stört doch nicht und lässt sich genauso elegant wegklicken wie die AGB. Wir freuen uns über die Bonuspunkte die wir beim Zücken der Kundenkarte erhalten, Kleinvieh macht schließlich auch Mist.

Als richtig fetten Deal, der unser Selbstwertgefühl enorm steigert, erachten wir die 180 Euro für das Fitnesstracking seitens der Krankenkasse.

Uns ist schon klar, dass wir unsere Daten gegen Dienste tauschen, aber das ist halt so im digitalen Zeitalter und was ist schon dabei, wenn andere wissen was wir so kaufen oder in Suchmaschinen eingeben. Wir erhalten Bares, Antworten und persönliche Assistenz im Alltag gegen ein paar Daten. Das ist doch ein fairer Handel, oder nicht?

Eindeutig beantworten lässt sich diese Frage erst, wenn uns der Wert unserer Daten klar ist. Genau dieser Frage geht Katharina Nocun in ihrem Buch „ Die Daten, die ich rief“ nach.

Im ersten Teil „Mein Datenschatten“ sammelt sie ihre hinterlassen Daten per Selbstauskunft ein.

Zum einen sind das tatsächlich hinterlassene Daten bei sozialen Netzwerken, Onlineshops, Suchmaschinen und staatlichen Datenbanken zum anderen experimentell gelegte Datenspuren mittels DeutschlandCard und Fitnesstracker. So erfährt die Autorin unter anderem von einem rechtswidrigen Datenabgleich ihrer Kundendaten und findet sich in der Datenbank für Cyberkriminelle wieder, da ein Beamter ihre Beteiligung an einer satirischen Protestaktion gegen Überwachung unzutreffend einstufte.

Nach den Selbstauskünften realisiert sich die abstrakte Besorgnis überwacht zu werden in einem greifbaren gigantischen Datenberg: schwarz auf weiß dokumentierte Momentaufnahmen, Backups von Gedanken, Wünschen, Stationen, Ängsten und Sehnsüchten.

So fair scheint der Deal Dienst gegen Daten doch nicht zu sein, schließlich ziehen wir blank, mit unseren Daten verraten wir mehr als wir jemals einem Menschen anvertrauen würden. Genaugenommen gehen wir bei diesem Handel gar keine Kundenbeziehung ein, sondern sind mit unseren analog und digital hinterlassenen Daten das Produkt. Google und Co und all die neuen Firmen, deren Geschäftszweck die Datenaufbereitung ist, erzielen mit der Verwertung unserer Daten.

Was sich mit dem Wissen über uns alles anstellen lässt und wie manipulierbar wir dadurch sind, ist Thema des zweiten Buchteils.

Bereits aus dem Einkauf mit der Kundenkarte lässt sich ein Persönlichkeitsprofil erstellen. Der Inhalt des Warenkorbs, den die Autorin bewusst willkürlich wählte, enthält unter anderem Billigeier, hochpreisige Katzenfutterdosen und Alkoholika, Einschlaftee, preiswertes Hackfleisch, Tena Lady, Tampons und koffeinfreien Kaffee. Wir haben es folglich mit einer Frau zwischen 40 und 50 zu tun, die für ihre Katze alles tun würde und einige Probleme zu haben scheint, deren sie sich in Ansätzen bewusst ist.

Die Labilität dieser Kundin kann mit gezielter Werbung für gesundheits- und glückversprechende Produkte unterstützt werden. Falls die Billigeier und das Hackfleisch in einen Lebensmittelskandal verwickelt werden, was ja nicht abwegig ist, wandert die Kundin in die Datenbank „mit Dioxin belastete Person“.die daten die ich rief

Ich finde das sehr erschreckend, welche Schlüsse sich aus einem Einkauf ziehen lassen. Kombiniert mit dem anderen Wissen über mich, entsteht eine Macht, die nicht in die Hände einer Aktiengesellschaft gehört.

Kann ich dem schleichenden Verlust meiner Privatsphäre und der damit einhergehenden Kontrolle meiner Person nur entgehen, indem ich zur Technikfeindin werde? Kein Computer oder Handy, kein Konto nirgendwo und zu Hause bleiben, denn draußen lauern Überwachungskameras.

Dass es nicht die Digitalisierung ist, die uns manipuliert, sondern die Art und Weise wie sie benutzt wird, ist Thema des Abschlusskapitels von „Die Daten, die ich rief“. Noch ist es möglich, dass wir uns unserer Leben zurückholen und den Umgang mit digitaler Technik selbst bestimmen.

Katharina Nocuns Buch spricht jene, die meinen sie hätten nichts zu verbergen, genauso an wie jene, die längst resigniert den Preis moderner Technik in Kauf nehmen. Ein Einstieg in das dröge Thema Datenschutz, der sensibilisiert und Lust macht auf das, was das Internet mal war und wieder sein könnte.

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