Der bisher im bayerischen Polizeirecht übliche Begriff der „konkreten Gefahr“ als Voraussetzung polizeilicher Eingriffe wurde im neuen PAK durch den schwammigen Begriff der „drohenden Gefahr“ ersetzt.
Ohne das ein Schaden eingetreten ist, kann die bayerische Polizei präventiv tätig werden und unter anderem folgende Maßnahmen treffen:
- Kontaktverbot, Aufenthaltsverbot und Verbannung
- Gewahrsam (Vorbeugehaft)
- Durchsuchung von Sachen an Kontrollstellen
- Betreten und Durchsuchung von Wohnungen
- Pfändung von Konten und Vermögensrechten,
- Einsatz von Bodycams an öffentlichen Orten und in Wohnungen
- Einsatz „intelligenter Videoüberwachung“
- Verdeckter Kamera-Einsatz außerhalb von Wohnungen
- Postsicherstellung und ggf. Postöffnung
- Erkennungsdienstliche Maßnahmen, inklusive DNA-Untersuchungen
- Automatisierte Kennzeichenerfassung
- Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) nebst Quellen –TKÜ
- Geheimes Betreten von Wohnungen zum Zweck der Online-Durchsuchung,
- Wohnraumüberwachung
- Unterbrechung der Telekommunikation
Die bayerische Polizei kann damit de facto das Leben der betroffenen BürgerInnen, insbesondere Privatsphäre, Aufenthaltsort, Vermögen, Lebensweise und Kommunikation überwachen.
Betroffen von diesen polizeilichen Eingriffen in die Grundrechte ist potentiell jede und jeder, eine Beschränkung auf die Bekämpfung des Terrorismus findet sich im PAG an keiner Stelle.
Stattdessen werden Delikte wie fahrlässige oder einfache Körperverletzung und Sachbeschädigung genannt, kombiniert mit unklaren Ausdrücken wie „Sachen, deren Erhalt im besonderen öffentlichen Interesse liegt“, „bedeutendes Rechtsgut“ oder „erhebliche Eigentumspositionen“.
Nur wenige dieser Eingriffe benötigen eine vorherige gerichtliche Kontrolle. Dazu gehören u.a. Betreten und Durchsuchen von Wohnungen, verdecktes Abhören und Aufzeichnen von Gesprächen außerhalb von Wohnungen, Postsicherstellung, längerfristige Observation, Einsatz von V-Personen oder verdeckten Ermittlern gegen eine bestimmte Person und die Telekommunikationsüberwachung.
Der genehmigende Richter darf sich dann mit den unklaren Begrifflichkeiten beschäftigen, sie rechtlich gestalten und Präzedenzfälle schaffen.
Die Anordnung der Pfändung von Vermögen, Verbannung, automatisierte Kennzeichenerfassung und die intelligente Videoüberwachung bedürfen keiner vorherigen richterlichen Genehmigung.
In allen Fällen, in denen eine gerichtliche Entscheidung vorgesehen ist, hast Du nur ein sehr eingeschränktes Recht auf Rechtsschutz und rechtliches Gehör.
In Artikel 92 des PAG wird auf das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen verwiesen, mit dem Zusatz, dass die Rechtsbeschwerde ausgeschlossen ist. Familiengericht bedeutet:
- keine Pflichtverteidigung, nur Beistand, der auch Anwalt sein kann
- Akteneinsicht nur „soweit nicht schwerwiegende Interessen eines Beteiligten oder eines Dritten entgegenstehen“
- kein strenges Beweisverfahren wie nach der StPO („Das Gericht erhebt die erforderlichen Beweise in geeigneter Form. Es ist hierbei an das Vorbringen der Beteiligten nicht gebunden“)
Wenn du verdächtig bist, in Vorbeugehaft verweilst, die nach Art.17 PAG keine Maßnahme des Strafrechts darstellt und jeweils um drei Monate verlängert werden kann, wirst du eventuell die ganze Zeit keinen Anwalt haben.
Hättest du eine tatsächliche Straftat begangen, würdest du rechtlich besser dastehen.
Falls Du durch das präventive Eingreifen der Polizei einen Schaden erleidest, sieht das PAG keinen Anspruch auf Entschädigung vor.
Weiterhin entspricht der Schutz der bei den präventiven Aktionen anfallenden Daten nicht wirklich der entsprechenden EU-Richtlinie.
Diese Richtlinie fordert in Art. 10 die Verarbeitung nur zu erlauben, wenn sie „unbedingt erforderlich ist und vorbehaltlich geeigneter Garantien für die Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen erfolgt“.
Laut PAG ist die Verarbeitung der Daten zulässig:
„1. soweit andernfalls die Erfüllung polizeilicher Aufgaben, insbesondere die Verhütung oder Unterbindung von Straftaten, gefährdet oder wesentlich erschwert ist,
2. zur Abwehr von a) Gefahren oder b) drohenden Gefahren für ein bedeutendes Rechtsgut, …“. Also immer, wenn es passt, ohne „unbedingt“ und „Garantie“.